Bericht, Teil 2

Die Erlebnisse auf der Fahrt

14.07.2005

Tulcea/Ro (km 71) – Vilkovo/Uk (km 18) – Delta (km 0) – Izmail (km 90)

Als wir 6:45 Uhr erwachen, geht unser erster Blick aus dem Fenster gen Himmel: Es regnet nicht mehr! Überall sind zwar noch graue Wolken zu sehen, aber mit Struktur. Da kann es nur besser werden. In der Nacht hat die Dnepr kurz in Izmail angelegt, um die Einreiseformalitäten für uns zu erledigen. Aber davon haben wir nichts bemerkt. Jetzt ist das Schiff immer noch unterwegs in Richtung Schwarzes Meer. Aber wenn man nicht aus dem Fenster sieht, merkt man es überhaupt nicht. Während aus dem Lautsprecher sanfte Musik rieselt, machen wir uns fertig zum Frühstück.

Um 7:00 Uhr wird das Buffet eröffnet. Neben frischen Backwaren werden auch Cornflakes, Müsli, Joghurt und andere leckere Dinge angeboten. Wer es deftig mag, kann zu Salami, Schinken und Käse greifen. Auf Bestellung werden auch Spiegeleier zubereitet. Ein reichhaltiges Obstangebot und 5 verschiedene Fruchtsäfte runden die Palette ab. Am Tisch verwöhnt uns Swetlana mit guten Kaffee bis zum Abwinken. So bleibt wirklich kein Wunsch offen.

So gestärkt begeben wir uns an Deck. Gerade rechtzeitig, um die Ankunft in Vilkovo, dem ukrainischen Venedig mitzuerleben. Venedig deshalb, weil der Ort auf vielen Inseln erbaut wurde und mehrere Kirchen besitzt. An der Schiffsanlegestelle warten schon der Ortsälteste mit traditionellen Brot und Salz und eine Folkloregruppe aus festlich geschmückten Mädchen, um uns willkommen zu heißen. Nach den Klängen eines Akkordeonspielers singen und tanzen die Kleinen.

Fast unbemerkt hat inzwischen auf der anderen Seite der Dnepr das Ausflugsboot festgemacht. Es ist nicht wesentlich kleiner als die Dnepr, kann aber 280 Passagiere aufnehmen. Mit so einem großen Schiff werden wir sicher nicht viel von der legendären Vogelwelt des Deltas zu sehen bekommen. Nach dem alle Teilnehmer dieses Ausfluges umgestiegen sind, legen wir in einer eleganten Schleife ab. Das ist eine gute Gelegenheit, die Dnepr in ihrer ganzen Größe zu fotografieren. Obwohl ein kühler Wind weht, begeben sich alle auf das offene Oberdeck. Durch einen der vielen Seitenarme, deren Namen von einer Reiseleiterin über Bordlautsprecher bekannt gegeben werden, fahren wir in Richtung Meer. Auf den ersten Kilometern befinden sich rechts und links auf den Inseln kleine Gärten, in denen die Anwohnen Obst und Gemüse anbauen. Die Lauben stehen vorsorglich auf Pfählen. Jeder hat hier einen Holzkahn in einer speziellen lokalen Bauart. Meist wird gerudert, selbst auf weiten Strecken. Motoren sind sehr selten. Dann beginnt das Naturschutzreservat und man sieht nur noch endlose Schilfflächen, selten von ein paar Büschen oder Bäumen unterbrochen. Einige Reiher fliegen vor uns auf, lange bevor das Schiff da ist. Nach ca. einer Stunde Fahrt liegt das Schwarze Meer vor uns. Am rechten Ufer steht ein riesiges Zeichen: 0 km. Auf dieses Ereignis wird mit einem Wodka angestoßen. Dazu gibt es ein Stück rohen Fisch und Brot. Links vor uns tummeln sich auf einer Sandbank in großer Entfernung Reiher, Kormorane, Pelikane und verschiedene Möwenarten. Wir kehren um und fahren auf einem anderen Weg zurück. An einigen Stellen sehen wir Fischer mit ihren Netzen hantieren.

Nach unserer Rückkehr legt die Dnepr bald ab und nimmt stromaufwärts Kurs auf Izmail. Die Lücken in den Wolken werden immer größer. So versuchen wir schon mal, auf dem Sonnendeck ein paar der wärmenden Strahlen abzubekommen. Es ist ein herrliches Gefühl. Ruhig gleitet das Schiff durch die (fast) unberührte Landschaft. Mehrfach überfliegen Pelikangruppen den Fluss. An den weit entfernten Ufern stehen Reiher im flachen Wasser. Anderen Schiffen begegnen wir selten. Wenn überhaupt, dann sind es rostige Frachter oder Schwimmbagger, welche die Fahrrinne freimachen. Bis Ende 2005 soll auch dieser Wasserarm wieder voll bis zum Schwarzen Meer schiffbar sein. Während und nach dem Jugoslawien-Konflikt wurde die Freihaltung der Fahrrinne eingestellt, weil kein durchgängiger Schiffsverkehr mehr möglich war.

Dann passieren wir einen größeren Ort mit Werftanlagen. Es ist Kilia am km 47. Interessant, dass der Ort im 15. Jahrhundert nur 5 km vom Meer entfernt war. Ständig erweitert sich das Delta durch den vom Fluss mitgebrachten Schlamm. Man kann es ja auch deutlich an der gelbbraunen Farbe des Wassers erkennen.

Nach dem üppigen 4-Gänge-Menü zu Mittag und der späteren Kaffeepause erreichen wir Izmail. Diese ukrainische Stadt ist der Heimathafen unseres Schiffes und auch ein großer Teil der Besatzung wohnt hier. Viele treffen sich mit ihren Angehörigen und übergeben große Pakete, die sie von der Reise mitgebracht haben. Den angebotenen geführten Ausflug lassen wir weg. Wir wollen die Stadt auf eigene Faust entdecken. Dazu müssen wir an der Rezeption unsere Pässe abholen. Das ist jedoch eine reine Formsache. Sehen will ihn niemand.

Hinter dem großen Empfangsgebäude an der Anlegestelle sehen wir die Stadt schon vor uns liegen. Überall ragen Kirchtürme über die Häuser und das viele Grün. Nach 20 Minuten Fußweg sind wir schon fast im Zentrum. Das Bild ist geprägt von vielen Parks und Denkmälern. In der Vergangenheit haben sich hier viele Eroberer um die Herrschaft gestritten: nach Griechen und Römern kamen Türken, Rumänen und Russen. Heute gehört die Stadt zur Ukraine. Einige historische Gebäude sind liebevoll restauriert und andere dagegen ziemlich verfallen. Es sind viele Menschen unterwegs und auch der Verkehr auf den Straßen ist nicht zu unterschätzen. Nachdem wir genug gesehen haben, kehren wir zum Schiff zurück. Gegen 19:00 Uhr legt es ab und verlässt die Ukraine.

Wir genießen erstmal das umfangreiche Abendessen. Später, nachdem es schon dunkel ist, schauen wir dem Steuermann bei seiner Arbeit zu. Er hat das Radar eingeschaltet, um alle Hindernisse besser zu erkennen. Deutlich sieht man auf dem Schirm die Ufer, Bojen und Schiffe. Unten im Restaurant findet inzwischen ein Tanzabend mit der „Dnepr-Band“ statt.

 

15.07.2005

Izmail/Uk (km 90) – Cernavoda/Ro (km 299)

Am Morgen werden wir von sanfter Musik aus dem Bordlautsprecher geweckt. Als wir aus dem Fenster schauen, scheint die Sonne. Die Dnepr ist die ganze Nacht gefahren und hat noch etwa 30 km bis zum heutigen Ziel, der Stadt Cernavoda. Das ist eine bedeutende Stadt, weil hier bereits 1895 eine Eisenbahnbrücke über die Donau gebaut wurde und damit den durchgängigen Verkehr zum Schwarzen Meer ermöglichte. Außerdem beginnt hier der Donau-Schwarzmeer-Kanal, welcher der Schifffahrt mehr als 200 km auf dem Weg zum Meer erspart.

Kurz nach 9:00 Uhr machen wir an der großzügig gebauten Anlegestelle von Cernavoda fest. Das riesige Empfangsgebäude macht jedoch einen unbewohnten Eindruck. Doch davor stehen schon die Busse bereit für den Ausflug nach Constanta und an die Küste. Wir machen diesen Ausflug nicht mit, sondern gehen zu Fuß in die etwa einen Kilometer entfernte Stadt.

 

16.07.2005

Cernavoda/Ro (km 299) – Oltenita – Bukarest – Giurgiu – Ruse/Bu

In Oltenita legen wir an und steigen in einen Bus, um nach Bukarest zu fahren, während die Dnepr weiterfährt. Der Weg führt uns durch endlose Sonnenblumenfelder. In der Haupstadt nimmt uns eine nette deutschsprachige Reiseleiterin in Empfang und erklärt uns ihre Heimat. Wir besuchen einen Park mit historischen Häusern aus allen Teilen Rumäniens, das Zentrum mit dem riesigen Volkspalast und eine große Kathedrale. Zum Mittagessen gibt es noch eine Vorführung von Volkstänzen zu Zigeunermusik. In Giurgiu gehen wir wieder an Bord, um an das andere Ufer der Donau zu fahren, wo sich die bulgarische Stadt Ruse befindet. Hier machen wir einen kleinen Bummel durch den Ort.

 

17.07.2005

Den ganzen Vormittag lassen wir uns auf dem Sonnendeck die Sonne auf den Bauch scheinen, während rechts und links die Landschaft an uns vorbei gleitet. Vor der übermäßigen Hitze schütz uns eine ziemlich steife Brise. Kurz vor der Mittagszeit wird es so heftig, dass die Besatzung die Kissen einsammelt und die Liegestühle festbindet, damit sie nicht über Bord gehen.

Wir gehen erstmal essen. Heute am Sonntag ist es besonders gut. Danach ist erst mal ein Stündchen Mittagsruhe. Dann gibt es Kaffe und Kuchen.

Gegen 16:00 erreichen wir bei km 790 die bulgarische Stadt Vidin. Der Bus für die Ausflügler steht schon am Ufer bereit. Wir erkunden jedoch die Stadt auf eigene Faust: viel Parks, Denkmale und kleine Straßencafes. Weil Sonntag ist, sind die Geschäfte geschlossen. Nur die Touristen vom Schiff irren durch die aufgeheizten Straßen. Die Einheimischen haben es sich unter Sonnenschirmen bequem gemacht. Nach eine Stunde kehren wir an Bord zurück.